Glossar Stand: 15.09.2004
Auf dieser Seite finden Sie Erläuterungen zu Begriffen zur Thematik Assessment und Diagnostik.
- Analysetiefe und Screening
- Assessment und Diagnostik
- Assessmentbegriffe in Anlehnung an die ICF
- Assessmentcenter-Methode
- Assessmentinstrumente, -methoden und -verfahren
- Assessmentprozedur
- Gütekriterien / Testgütekriterien
- Konstrukt- und Konzeptspezifikation
- Mehrdimensionales Assessment und weitere Assessmentbegriffe
- Status- und Prozessdiagnostik
Analysetiefe und Screening
Eine Assessmentprozedur und verschiedene Assessmentinstrumente können eine unterschiedliche Analysetiefe besitzen. In diesem Zusammenhang wird häufig der Begriff Screening genutzt, und gelegentlich in Abgrenzung dazu von Standard- bzw. Zusatztestverfahren gesprochen.
Das Screening ist dabei durch eine geringe Analysetiefe gekennzeichnet:
- Screenings geben einen Grobüberblick über bestimmte Verhaltensweisen, Dispositionen, Umstände etc.
- Screening-Verfahren/-Methoden sind häufig nur gering oder nur in eine Richtung sensitiv
Die Frage der Analysetiefe ist allerdings relativ zu sehen und folglich werden zuweilen Instrumente je nach Anwendungskontext als Screeninginstrumente oder als Standardinstrument bzw. einfach als Assessmentinstrumente bezeichnet.
Neben der Analysetiefe wird in verschiedenen Definitionen herausgestellt, dass Screeningverfahren der Vorauswahl dienen:
- Unter Screening' werden alle Techniken subsumiert, die eine große Zufallsstichprobe systematisch nach Angehörigen einer seltenen Population durchsuchen. Meistens erfolgt diese Durchsuchung mit Hilfe einer kurzen Befragung einer großen Zufallsstichprobe von Personen.
- "Screening" werden auch als "Filterverfahren" bezeichnet, mit dem z. B. die Identifikation von Risikopersonen erfolgt.
Ein Verfahren hat demnach Screening-Charakter, wenn es entweder zur Vorauswahl von Personen führt und/oder wenn es einen groben Überblick über einen Analysebereich gibt.
Assessment und Diagnostik
Der Begriff Assessment bezeichnet allgemein den Prozess
der Einschätzung, Beurteilung (Ableitung aus dem engl. Wort: to assess = einschätzen, beurteilen).
Der Begriff Diagnose stammt vom griechischen Wort "diagnosis", übersetzt: "Entscheidungen", wird aber auch im Sinne von „Unterscheidung“ gebraucht.
Beide Begriffe haben einen relativ weiten und ähnlichen Bedeutungshorizont
und werden teilweise synonym genutzt. Mit Assessment wird aber oftmals ein
umfassenderes Geschehen verbunden, als mit "Diagnostik". Im medizinischen
Sinne dient z.B. Diagnostik primär dem Erkennen und Benennen einer Krankheit,
um auf dieser Basis im Weiteren Entscheidungen zum präventiven oder rehabilitativen
Handeln zu treffen. Beim Assessment steht weniger die genaue Definition der
Krankheit als die umfassende Einschätzung und Beurteilung der Person
oder Situation (Ist-Analyse) im Vordergrund.
Diese unterschiedlichen Akzente finden sich allerdings primär im medizinischen
Sprachgebrauch, in anderen Disziplinen, wie der Psychologie oder Sportwissenschaft
wird der Begriff der Diagnostik von je her umfassender betrachtet.
Letztlich können die Begriffe Diagnostik und Assessment durchaus synonym
verwendet werden. Die beschriebenen unterschiedlichen Akzente sind weniger
in den Begriffen selbst verankert, sondern werden über die Untersuchungs-/Diagnose-/Analysebereiche
bestimmt.
Assessmentbegriffe in Anlehnung an die ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health)
Das der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) zu Grunde liegende bio-psycho-soziale Modell wird als theoretisches Grundkonzept für die Rehabilitation und Prävention angesehen und die Begrifflichkeiten der ICF sollen trägerübergreifend im gesamten Gesundheitssystem zur begrifflichen Präzision beitragen. Hieran anlehnend könnte im Bereich der Diagnostik und des Assessments entsprechend wie folgt differenziert werden:
- Funktions- und Strukturdiagnostik (Analysebereich: Körperfunktionen und -strukturen)
- Aktivitätsdiagnostik (Analysebereich: Aktivitäten - was kann jemand leisten)
- Partizipationsdiagnostik (Analysebereich: Partizipation - was leistet jemand, wie nimmt er teil)
Hinzu kommt die Einbeziehung der personbezogenen Kontext- und Umweltfaktoren, die auf diese drei Ebenen Einfluss haben können.
Assessmentcenter-Methode
Als Assessmentcenter werden zuweilen Einrichtungen bezeichnet, die sich auf die Durchführung von Assessments konzentrieren und/oder über vielfältige oder besondere Assessmentinstrumente verfügen. Im engeren, ursprünglichen Sinn ist aber ein "Assessmentcenter" eine diagnostische Maßnahme, die meist unmittelbar in Unternehmen oder durch deren Beratungsinstitute, durchgeführt wird und der Personalsuche und -entwicklung dient. Seit etwa Mitte der siebziger Jahre wird die Assessmentcenter-Technik / -Methode im deutschsprachigen Raum durchgeführt. Das primäre Ziel ist es geeignete Personen auszuwählen oder zu fördern, indem realitätsnahe Anforderungen gestellt / nachgebildet werden. Dies begründet die o.g. enge Verzahnung mit dem Unternehmen.
Als zentrale Charakteristika eines Assesmentcenters gelten u.a.:
- Unternehmens- /Organisationsbezogener Ansatz: Ein Assessment-Center wird konzipiert für eine bestimmte Einzelorganisation, in deren Personalplanung es aufgenommen und zu deren Unternehmenskultur es gehört
- Multimethodaler Ansatz: Verschiedene Übungen, verschiedene Zeiten und verschiedene Beobachter
- Ganzheitlicher Ansatz: Beobachtung der Gesamtperson in ihrem Handlungsfeld und nicht Messung eines einzelnen Wesenszugs oder einer isolierten Bedingung
- Ideal der Verhaltensnähe: Fordert, dass Anforderungsdimensionen verhaltensnah definiert werden und eine verhaltensnahe Erfassung von Leistungsmerkmalen ausgiebig trainiert wird
- Vergleich mit Leistungs- und nicht Persönlichkeitstests: Das Assessementcenter begnügt sich nicht damit, die Teilnehmer ihr Verhalten beschreiben zu lassen, es fordert mehr, nämlich die Realisierung bestimmter Verhaltensweisen
Assessmentinstrumente, -methoden und -verfahren
Eine Differenzierung zwischen den Begriffen Assessmentinstrument, Assessmentmethode und Assessmentverfahren erfolgt in der Literatur und im täglichen Sprachgebrauch nicht eindeutig.
In Bezug auf die Assessmentmethode wird i.d.R. unterschieden zwischen Verfahren der qualitativen bzw. quantitativen Erfassung. Weiterhin wird zwischen verschiedenen Erhebungsmethoden unterschieden. Dieses sind im Rahmen von Diagnostik und Assessment, z.B.:
- Test
- Fragebogen
- Aktenanalyse/Aktenscreening
- Beoachtung (u.a. Verhalten, Ausdruck)
- Exploration, Anamneseerhebung
- Biographie (Biographische Diagnostik)
- Interaktionsdiagnostik, Familiendiagnostik
Als Instrumente und Verfahren werden Mittel oder Geräte zur Ausführung
bestimmter wissenschaftlicher oder technischer Arbeiten bezeichnet. Hierzu
gehören auch Testgeräte, Fragebögen etc.
Auf Grund dieser begrifflichen Unschärfe benutzen wir die Begriffe Assessmentinstrument
und Assessmentverfahren synonym.
Assessmentprozedur
Die Assessmentprozedur beschreibt das Gesamtvorgehen eines Assessmentprozesses.
Die Assessmentprozedur soll folgende Punkte beschreiben:
- Zielgrößen/Kriterien, die beurteilt werden
- Instrumente und Methoden, die eingesetzt werden
- Anwender der Instrumente
- Zeitpunkt und Häufigkeit der Anwendung
- Auswertung der Teilergebnisse sowie Datenintegration für die Gesamtbeurteilung
Gütekriterien / Testgütekriterien
Im Allgemeinen kann zwischen Hauptgütekriterien und Nebengütekriterien eines Testverfahrens differenziert werden. Bei den Hauptgütekriterien unterscheidet man zwischen der Objektivität, der Reliabilität und der Validität.
Die Objektivität bezeichnet das Ausmaß, in dem ein Testergebnis in Durchführung, Auswertung und Interpretation vom Untersuchungsleiter nicht beeinflusst werden kann und somit vom Testleiter unabhängig ist, bzw. wenn mehrere Testauswerter zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangen.
Die Reliabilität gibt den Grad der Zuverlässigkeit bzw. der Genauigkeit einer Meßmethode an. Ein Test wird dann als reliabel bezeichnet, wenn es bei einer Wiederholung der Messung unter denselben Bedingungen und an denselben Gegenständen zu gleichen Ergebnissen kommt.
Die Validität gibt den Grad der Genauigkeit an, mit dem ein Testverfahren das misst, was es zu messen vorgibt.
Bei den Nebengütekriterien wird zwischen der Ökonomie (Wirtschaftlichkeit),
der Nützlichkeit, der Normierung und der Vergleichbarkeit eines Messverfahrens
unterschieden.
Konstrukt- und Konzeptspezifikation
Einschätzungen und Beurteilungen zu abstrakten Begriffen oder komplexen Kategorien, wie z.B. der Leistungsfähigkeit, Funktionsfähigkeit, Gesundheit etc. können nur dann erfolgen, wenn eine so genannte Konzeptspezifikation zu diesen Begriffen erfolgt. Denn ein Abstraktum ist als solches nicht messbar. Die Präzisierung entsteht mit Hilfe eines so genannten (theoretischen) Konstrukts, d.h. über die Zuordnung verschiedener Merkmale (Designate), die die Bedeutung des Begriffs festlegen.
Ein theoretisches Konstrukt beinhaltet folglich Dimensionen und Merkmale/Items, die zur Beschreibung des abstrakten Begriffs dienen.
Jedes Assessmentinstrument beinhaltet eine derartige Merkmalzuordnung, auch
wenn dieses oftmals nicht explizit als Konstrukt bezeichnet und dargestellt
wird. Aber jede(s) Instrument legt indirekt fest, welche Kriterien/Merkmale
zur Beschreibung des abstrakten Begriffs berücksichtigt werden müssen.
Mehrdimensionales Assessment und weitere Assessmentbegriffe
Häufig wird der Begriff des mehrdimensionalen Assessments
verwendet. Hiermit wird die Beschreibung/Erfassung des Phänomens aus
mehreren Perspektiven und/oder mit verschiedenen Kriterien verstanden.
In Bezug auf die Differenzierung zwischen physischen und psychischen sowie
kognitiven Verfahren wird von Mehrdimensionalität gesprochen, wenn sich
das Assessment auf mehrere der genannten Ebenen bezieht - dies kann dann auch
als ganzheitliches Assessment bezeichnet werden.
In Bezug auf die ICF (International Classification of Functioning, Disability
and Health) sollte sich ein mehrdimensionales Assessment auf die drei Dimensionen
"Körperfunktionen und -strukturen", "Aktivitäten"
und "Partizipation" beziehen und auch die Analyse von personbezogenen
Kontext- und Umweltfaktoren beinhalten - dies wäre mehrdimensional und
ganzheitlich im Sinne der ICF.
Bei Assessmentinstrumenten unterscheidet man zwischen übergeordneten
(generischen) und indikationsspezifischen; hier
sind die unterschiedlichen Herangehensweisen impliziert. In den vergangenen
Jahren sind verschiedene weitere Assessmentbegriffe zur Eingrenzung
des Analyse-/Zielbereichs (z.B. Psychologisches Assessment, Physisches Assessment)
oder vor dem Hintergrund spezifischer Handlungsfelder (Klinisches Assessment,
Präventives Assessment u.a.) und/oder der dort tätigen Berufsgruppen (Heilpädagogisches
Assessment, Ergotherapeutisches Assessment, Sporttherapeutisches Assessment
u.a.) entstanden.
Derartige Oberbegriffe sind jedoch meist wenig spezifiziert,
so dass hierbei unter gleichen Bezeichnungen mitunter unterschiedliche Zusammenstellungen
von Instrumenten und Prozeduren beschrieben werden.
Status- und Prozessdiagnostik
Bei der Statusdiagnostik steht das Anliegen im Vordergrund, Aussagen über einen Ist-Zustand zu treffen. Im Gegensatz dazu zielt die Prozessdiagnostik (sequentielle Diagnostik) auf das Feststellen von Veränderungen. Bei letzterer werden die Entscheidungen nicht auf Grund eines punktuellen diagnostischen Resultates getroffen, vielmehr basieren die diagnostischen Urteile auf einer Bewertung zu unterschiedlichen Zeitpunkten, in dessen Verlauf möglicherweise Differenzierungs-, Beratungs- und/oder Fördermaßnahmen ablaufen.